Freitag, 12. Mai 2017

Intermezzo.

Laternenmast, Laternenmast, 
kommst von weit her mit großer Hast.
Hast 'nen Umhang um deine Säule,
und im Gepäck 'ne gechillte Eule.
Rockst wie ein Blitze durch die Luft,
und versprühst 'nen intensiv pompösen Duft.
Es riecht nach Moschus, Rum und Weizen,
willst wohl all' die süßen Girls verheizen.
Dein weißes Licht strahlt weit umher,
da fällt das Bangen auch nicht schwer.
Mit lautem Sausen und Getöse,
zerfetzen alle Verkaufserlöse.
All die Chicks, sie jubeln dir zu,
nur die Eule, die snackt in Ruh.
Sie crunsht 'ne Haxe aus Fernost,
was für 'ne heftig-dope Kost.
Sie checkt die Crowd aus wie 'ne Nonne
und trinkt dabei 'ne Caprisonne.
Laternenmast, du mieser Schuft,
ziehst jetzt an deine schwarze Kluft,
umklammerst die Peitsche mit deinen Pranken,
um die Crowd gediegen wegzuflanken.
Es verbeugen sich alle aus Ekstase,
sogar der sweete Osterhase.
Du penetrierst mit stolzer Brust,
und alle laben sich an der Lust.
Die Eule futtert jetzt 'n Steak,
und braucht noch lange keine Break.
Laternenmast, du mieser Erlöser,
penetrierst jetzt noch um einges böser.
Es knallt und donnert, rauscht und zischt,
das letzte Abendmahl wird aufgetischt.
So krass ham's die Chicks noch nie erlebt,
dass ihr ganzer Körper bebt.
Sie taumeln umher, vor Glück und vor Freud,
unfähig, noch irgendwas andres' zu machen heut.
Laternenmast, er schwingt sich empor,
die Eule lugt vergnügt hervor.
Meine Kinder, schon bald komm' ich wieder,
und bis dahin, singt meine Lieder!

Mittwoch, 10. Mai 2017

O-Wald.

Durch tiefen Sumpf stapften sie. Ihre Füße hinterließen schmatzend Löcher, in denen sich neuer Schlamm sammelte. Das Laubwerk hing tief, es war dunkel. Feucht-heiße Luft durchtränkte ihre Anzüge. Das Fortbewegen war schwer. Ihre dicke Uniform hing herunter wie ein nasser Sack Kartoffeln und erschwerte das Vorankommen zusehends. Doch bemerkten sie diese Einschränkung nicht; ihre Sinne waren gespitzt, jeder Atemzug hörbar. Der Vorderste schob mit seiner dicken Hand ein Büschel tief hängender Zweige beiseite. Dahinter kam eine Lichtung zum Vorschein. Laute Rufe von Vögeln und anderem Getier waberten durch die Luft. Die Gruppe hielt an. Der Vorderste drehte den Kopf hin und her, als wollte er eine fremde Gestalt in der Ferne ausmachen. Dabei klapperten die an dünnen Bindfäden von seinem Kopf herunterhängenden Nudeln von Artigiano Fabbri scharf gegeneinander. Seine Nase witterte einen unbekannten Duft. Er runzelte die Augenbrauen. Schob seinen massigen Körper weiter voran. Die anderen folgten langsam, wachsam. Umklammerten mit ihren Händen fester die Speere. Der Vorderste beugte sich leicht nach vorne. Er stellte eine Porzellan-Statue auf den Boden, der noch nicht von Schlamm bedeckt war. Er streichelte den Kopf der Statue mit einem Finger und schaute sie skeptisch an. Alle anderen hielten den Atem an. Langsam begann der Boden zu vibrieren, konkave Bahnen breiteten sich am Fuße der Statue aus. Vögel vernahmen die Erschütterungen und schwangen sich in die Lüfte, während sie ihre Campomaggi-Handtaschen fest an ihre Körper schmiegten. Der Vorderste sah ihnen nach, senkte dann wieder seinen Blick auf die Statue und beäugte sie kritisch. Kleine Äste vibrierten, einige Blätter fielen zu Boden. Der Schlamm saugte sich immer stärker an ihren Stiefeln von Giuseppe Zanotti fest. Nun fingen einige der Gruppe an, einen Blick auf die Statue zu erhaschen. Immer größere Bahnen breiteten sich von ihr aus, die Vibrationen durchfuhren ihre Körper wie Schläge einer Basstrommel. Die Statue leuchtete, das weiße Porzellan wich einem schüchternen Purpur, eine Melange aus Licht und kristallinen Farbmustern. Der Vorderste grunzte. Immer heller erstrahlte die Lichtung, während lange Schatten sich hinter den anderen der Gruppe ausbreiteten. Das Braun des Bodens, des Schlamms, wandelte sich stetig, immer intensiver wurden die Farben und Geräusche. Die Strahlkraft der Statue akzentuierte den ansonsten tristen Waldboden, penetrierte die Blätter, Büsche und Sträucher der Lichtung. Einzig die Stämme der Bäume stellten sich der Umwandlung in neue Farbspektren, als sie gedrungen beieinander standen. Der Vorderste richtete sich breit auf und blickte die Statue scharf an, während diese anfing zu schweben. Sie stieg langsam höher, drehte sich und strahlte immer heller. Sie hielt schwebend auf Kopfhöhe des Vordersten an. Seine Arme hingen am Körper, in der einen Hand einen Speer, in der anderen einen Messbecher gefüllt mit Frucht-Yoghurt, Chia-Samen, Ylang Ylang-Extrakten und Puderzucker haltend. Er beugte sich kurz herunter, zog den Messbecher vorsichtig durch den Schlamm, bis dieser gefüllt war, richtete sich wieder auf, schaute die Statue gespannt an und hielt den Messbecher über sie. Zärtlich ergoss sich das Gemisch über ihren Kopf. Es zischte und gluckste. Die Statue hielt plötzlich an, sich zu drehen, begann zu flackern und wurde Bronzefarben. Eine kleine Zunge kam aus ihrem Mund hervor und versuchte, den Überguss abzuschlecken, während es an ihr heruntertropfte. Die Vibrationen wurden stärker, der Boden bebte und der Vorderste schaute sie ernst an. Ein Blitz schoss aus ihrem Bauch hervor und durchstach die Luft, er erhellte die Lichtung wie ein in Gold getränktes Gurkenglas; ein dumpfes Summen ertönte aus dem Unterleib und begann durch die feuchte Luft zu tanzen, erst Merengue, dann Cha-Cha-Cha; der Raum teilte sich, erfror, zerbarst in tausend Teile zu pizzagroßen Plüschwürfeln; Photonen zischten erregt in alle Richtungen, durchstachen Blätter und Äste, prallten am Metall der Speerspitzen ab, plumpsten zurück, fielen zu Boden und formten kleine Johannesbeersaftflaschen im Schlamm. Die Gruppe erschrak ob dieses Spektakels und wich zurück. Der Vorderste drehte sich um und schaute sie verständnislos an. Er blickte wieder auf die Statue. Sie war unter der braunen Masse verborgen, doch glänzte nun wie ein mit Zuckerguss verzierter Lockenstab. Plötzlich fielen Teile der Statue ab, sie schien unter ihrer Ekstase zu zerfallen. Immer größere Teile fielen mit einem lauten Platschen von ihr ab und in den Schlamm. Aus diesem stieg sofort grün-blauer Rauch empor, der nach Crème Brulée roch, welche gerade frisch von Alfons Schuhbeck zubereitet wurde. Die anderen der Gruppe nickten sich gegenseitig zu und diskutierten amüsiert die optimale Schmelztemperatur des Zuckers und Konsistenz der Crème. Der Vorderste schaute finster drein, als die Statue zerbrochen und dampfend auf dem Boden lag. Er kniete sich langsam auf den Boden, seine Hose fast im Schlamm getränkt (das Waschen würde bei einer Salvatore Ferragamo ewig dauern); er näherte sich der zerbrochenen Teile, die begannen, auf dem Boden zu schmelzen. Er pustete den Rauch beiseite, drückte mit seinem Daumen in die Brandstelle eines Porzellan-Teils und hielt seinen Kopf hoch. Es zischte und brummte. Sein Daumen wurde warm, er nahm ihn zurück. Dort, wo sein Abdruck hinterlassen wurde, war der Boden porös. Blau, braun, violett begann die oberste Schicht zu glühen. Dann verpuffte das Porzellan-Teil und ein kleiner Krater blieb zurück. Der Vorderste nahm daraufhin eine Violine aus seiner Seitentasche von Picard Torrino, hielt sie vor sich hoch und umfasste den Hals, während seine Finger über den Steg, das Griffbrett bis zum Wirbelkasten und hoch zur Schnecke fuhren. Dann nahm er einen Pinsel und ein Glas Erdnussbutter hervor, tunkte ersteren in die Butter und schmierte den Korpus damit ein. Als die anderen der Gruppe das sahen, schauten sie gen Himmel. Es war wieder dunkel, das fließende Licht der Statue war verschwunden. Sie vermissten es nicht, denn es war doch recht kalt; in diesem Punkt stimmten sie sich alle zu und nickten eifrig. Der Vorderste schaute die Violine misstrauisch an. Er legte sie vorsichtig auf den Boden neben den Brandlöchern und betrachtete sie. Der Rauch durchströmte langsam den Korpus der Violine, schien von ihr angezogen zu werden. Die Saiten begannen zu erklingen, ein leiser Ton entsprang dem Instrument. Die Violine begann zu zischen, auch sie fing an zu leuchten. Warum leuchtete immer alles, fragte sich der Vorderste. Er kam zu dem Schluss, dass es langweilig war, immer alles leuchten zu sehen. Er zuckte mit den Achseln und bewegte sich rhythmisch zur Melodie. Die eigentlich keine war. Aber er tat so. Die anderen der Gruppe kamen nun näher, hörten die Melodie und schauten sich verwirrt an. War das Emil Gilels? Oder Grigori Sokolow? Doch keiner schien den hellen Streif am Horizont zu bemerken, der langsam immer größer wurde. Wie auch, es war einfach zu verwachsen hier im Wald. Dann gab es einen lauten Knall, ähnlich dem Zusammenprall einer gefüllten Lasagne-Auflaufform mit einem etwa drei Meter großen Zebra, das gedankenversunken versuchte, mit seinen Hufen die Hortensien am Rand des Amboseli-Nationalparks neu zu setzen, die es günstig im Angebot eines örtlichen Supermarkt erstanden hatte. Was dann geschah, war nicht schön. Aber es tröstete über den Umstand hinweg, dass das schlechte Violinenspiel nicht mehr von den Umstehenden als lästig empfunden und dieses mit einem großen Bogen zu umgehen versucht wurde, denn es war wirklich nicht gut. Das Zebra indessen war sich nicht bewusst, dass es trotz seiner geografisch zugegeben offensichtlichen Distanz zu dem Musenspiel am Ableben der Beteiligten involviert war, obgleich sein Tagesablauf jenes Malheur nicht vorsah und des Zebras Intention nicht hätte weiter entfernt von dem Mord an einer Gruppe Unbekannter sein können. Aber diese Tatsache interessierte zuweilen keinen mehr, da zufällige Umstände nun mal nicht vermeintlich sind, genauso wenig wie der tradionelle 5-Uhr-Tee der Briten. In diesem Sinne wünschen wir dem Zebra alles Gute und genießen die letzten Sonnenstunden an diesem Nachmittag.