Donnerstag, 19. Juli 2018

Merander.


Die besten Ideen kommen doch immer dann, wenn man sich am meisten langweilt. Oder? Wenn es nichts mehr im Internet gibt, was man sich anschauen kann. Wenn selbst die realste Realität da draußen dein Interesse nicht mehr weckt. Dann gehts los. Dann starten die Gedanken, Beerpong in einem faradayschen Käfig zu spielen. Bei Gewitter. Mit Tennisschlägern. Und nebenbei total belanglose Musik zu hören. Musik, die dich, wenn du sie hörst, total abnervt. Einfach nur, damit man ein Statement setzt. Gegen dieses ganze Pop-Musik-Flucks da draußen. Die könnte man so als kleine Musik-Geister sehen, die umherwandern und ihr Unwesen treiben. Die Leute nerven mit schiefen Tönen, schrillem Gekreische oder Frisuren, die einem Rosamunde-Pilcher-Roman entsprungen sind. Man müsste sie an die Leine nehmen, sie züchtigen und umerziehen. Kleine Musik-Geister haben keinen Geschmack, noch keine Form, keine Attitüde. Man würde immer eine kleine Plastiktüte dabeihaben und die dreckigen Notenschlüssel, die die Musik-Geister auf dem Boden hinterlassen, aufsammeln. Und wenn ein anderes Musik-Geisti mit seinem Halter vorbeikommt, dann zöge man gut daran, also an der Leine, dass besagte Geister nicht aufeinandertreffen und zu einem Chor aus Maulender Myrte und Plácido Domingo verschmelzen. Der Gesang, das müsse man sich mal vorstellen, läge außerhalb jedweder Vorstellungskraft. Sie würden mit ihrem Crescendo jedwedes Leben auslöschen, das sich mühsam seinen Charakter über die Jahrmillionen aufgebaut hat. Und da hört es dann auf! Was? Ich höre Gewerkschaften schreien von den hinteren Rängen? Gewerkschaften für Musik-Geister? Sollten wir ihnen wirklich noch eine Lobby geben? Damit sie sich gegenseitig lobpreisen? Vielleicht würden sie dann ja die GEMA unter Druck setzen. Oder mit Wucherpreisen die Leute verschrecken, sodass diese sich auf eine einsame Insel verziehen müssten und den ganzen Tag mit den Füßen im Wasser Triangel spielen würden. Da fällt mir ein: man könnte doch den Codec des Musik-Geistes einfach ändern. Also das, was ihn so ausmacht. Blägt er in mp3 umher? Dann verändert man ihn einfach in sowas wie ogg. Oder aac. Ist zwar auch irgendwie verbreitet, aber man würde trotzdem dem Ausbreitungsradius Einhalt gebieten. Oder man nimmt einfach Leinen, die bunt leuchten und rumflackern. Ich habe irgendwo gelesen, dass Musik-Geister dann ausrasten, wenn sie die sehen und anfangen, den Omas ihre Blümchenhüte vom Kopf zu reißen, daraus Strohrucksäcke basteln, und diese an in Eile vorbeilaufende Investment-Banker verschenken, währen diese kreischend ihr Eis runterwürgen. Das Ganze kann man als sozialen Affront auffassen, oder einfach schulterzuckend hinnehmen. Ich als entfernter Beobachter würde das alles von einem Café aus betrachten und vielleicht einen kleinen Schauer der Belustigung verspüren, obgleich ich das Verhalten der Musik-Geister als wenig tolerierbar auffasse. Erwähnenswert ist noch, dass diese Wesen sehr emotional sind. Und stock-stumpfe BWL-Abkömmlinge versprühen scheinbar so eine gelassen-exzentrische Komprimierung an emotionaler Unausgeglichenheit, dass ihre Sinnesrezeptoren quasi überbrodeln vor tektonischer Anziehungskraft. Anders kann man sich das nämlich nicht erklären. Und dann kommt noch der Punkt der Haltung. Wie hält man so ein Musik-Geist? Zufällig nicht quer oder über Kreuz, das ist physisch nicht möglich. Psychisch auch nicht, da würde man bloß verrückt werden. Man muss sie einfach auf die Spitze treiben, da fühlen sie sich am wohlsten. Da ginge ein Stock. Oder eine Blume. Oder einfach ein Rock mit Spitzen. Von letzten kann man sich dann eine aussuchen. Farbe und Geschmack sind dabei egal, das ist eh nicht wichtig. Irgendwann, wenn der Musik-Geist dann ausgewachsen und ausgebildet ist, gewinnt man einen anderen Zugang zu ihnen. Er wird dann lässiger. Nicht so rabiat oder pittoresk, aber schon bunter. Ins kreative-melancholische abdriftend. Kleiner Seitenhieb rechts und links, und der Hase läuft. Pardon, der Musik-Geist. Er oder sie schwebt dann erhobenen.. nun.. Hauptes gen Lautsprecher. Bewusst wird hier eine Gedenkstunde eingelegt, denn ein Haupt? Hat ein Musik-Geist ein Gehäuptnis? Lassen wir uns das annehmen. Und lassen wir uns weiterhin davon ausgehen, dass er C-Moll, A-Dur und 3 Oktaven auf einmal spricht. Ein richtiger Fuchs, dieser Musik-Geist! Hat wohl studiert. Musikologie. Oder kneten. Letztendlich bleibt also festzuhalten: die interessantesten Gedanken kommen dann, wenn man sie am wenigsten erwartet. Lassen wir also unsere Füße weiter im Wasser treiben, an der Kaba-Milch schlürfen und den Bankern zugestehen, dass Wassereis wohl schmackhafter zu schlürfen ist als Eiscreme.