Freitag, 31. August 2012

Inventar.

Es sind nu' Semesterferien, daher jetzt endlich wieder ein neuer Post. Muss vorangehen hier. Liegt schon überall Staub rum, der muss weg. Frühjahrsputz und so. Nicht ganz, eher Spätsommerputz. Also gut:
- Unglaublich, wie das heute alles so passiert, so ganz einfach, denkt die Oma. Sie sitzt strickend im Schaukelstuhl und sinniert über Bockwürste und Frikadellen. Und Kartoffelpüree. Da, schau her, sagt sie und zeigt der Katze ihr frisch gestricktes Werk. Die macht große Augen und schau erst das Etwas an, das die Oma in ihren Händen hält und dann zurück zum Fenster. Die Oma gluckst, scheinbar interessieren sich Katzen also nicht für selbstgemachte Kunst. Sie zwirbelt weiter mit den beiden Stäben in der Wolle rum und summt Break'n A Sweat von Skrillex. Scheinbar, so denkt sie weiter, haben Katzen ihre eigenen Interessen, denen sie mehr Aufmerksamkeit schenken als die Strickereien einer alten Oma. Sie verpasst was, eindeutig, meint die Oma zu sich selbst und wackelt mit ihren Ohren. Dabei gäbe es doch draußen garnichts zu sehen. Oder doch? Die Oma wird neugierig und beugt sich vor. Die Augen hinter der Hornbrille funkeln, ihre Kette baumelt lässig um ihren Hals und ihre Hochsteckfrisur spiegelt sich in der Glasvitrine. Sie hält den Kopf schräg und erkennt verschwommen ihr Gesicht im Fenster. Draußen indes ist nichts. Die Katze müsse sich irren, da ist wirklich nichts. Da gibt es nichts zum anschauen. Aber die Katze dreht ihren Kopf in unregelmäßigen Abständen von der einen zur anderen Seite. Die Oma schaut vom Fenster weg und beugt ihren Kopf runter zur Katze. Die liegt da ganz entspannt und tut so, als würde sie vor einer riesigen Kinoleinwand hocken. Die Oma kratzt sich mit ihrem Scratch-Finger am Kinn. Sowas, denkt sie, sowas sei wirklich erstaunlich. Recht verblüfft schau sie noch einmal aus dem Fenster. Und da entdeckt sie etwas. Ganz hinten, neben den Radischen und den Weg-Werf-Tomaten, da liegt tatsächlich etwas auf dem Boden. Richtig erkennen kann sie es nicht, aber es ist scheinbar größer als eine Ameise. Es ist sogar noch viel größer. Es ist... ja was ist es denn?
Die Oma drückt ihre Nase an die Scheibe. Es sieht aus wie ein zu klein geratener Waschbär, dessen Hinterteil in einer Tuba feststeckt. Ja genau, so sieht das ganze aus. Ziemlich kurios. Aber es ist halt unglaublich, was heut so alles passiert. Und diese Sache findet die Katze jetzt so spannend? Die Oma grübelt. Wäre sie jetzt eine Katze, würde sie auch versuchen, das Strícken anzufangen und nicht den ganzen Tag auf Waschbären in Tubas zu starren. Nur um sicherzustellen, falls das mit dem Mäusefangen nämlich nicht klappen sollte. An und für sich, findet die Oma, ist ja Mäusefangen auch keine Erfüllung. Und nebenbei noch eine ziemlich einseitige Ernährung. Stell dir nur mal vor, meint die Oma zu der Katze, was man mit Strickbarem alles machen kann. Man kann damit - die Oma legt ihre Stirn in Falten - so Anziehsachen basteln. Oder Nasenwärmer. Oder Überzieher für Wärmflaschen. Der Oma fallen gerade mannigfaltige Dinge ein, aber alle aufzählen mag sie jetzt doch nicht. Sie schaut wieder belustigt auf die Katze. Du führst schon ein drolliges Leben. Die Oma gluckst wieder und schaut amüsiert auf ihre Stricknadeln. Die sind sehr lang und dünn. Gewiss würden sie jemandem Schaden zufügen, wenn sie in die falschen Hände gerieten.
Aber neben der Katze und ihr ist ja weiter keiner da. Und die Katze, so viel steht fest, würde sich weniger um Werkzeuge wie diese scheren, da alles, was mit Arbeit zutun hat, ihr eh nicht liegt. Noch dazu wisse sie auch gar nicht, was man damit machen kann. Geschweige denn, was stricken ist. Die Oma schaut wieder auf die Katze. So ein einseitiges Leben würde sie auch mal führen wollen. Nur so für einen Tag. Die Oma zupft an ihrem Rock. Katzen wollen es ja so. Sie haben ja alle Freiheiten der Welt. Die Oma zupft am Saum. Aber sie haben es sich ausgesucht, ein Leben in Entspannung zu bevorzugen. Der Saum franzt leicht aus.
Die Oma stutzt. Sie hält ihren Kopf wieder schräg und schaut auf das Garn in ihrer Hand. Das ist sehr dünn. Der Katze fehlen auch motorische Fähigkeiten, denkt sie. Will soll sie auch mit einer Tatze eine Stricknadel halten? Das ist doch garnicht möglich, denkt die Oma und schaut belustigt die Katze an.
Diese dreht ihren Kopf zur Oma und blickt sie bedeutungslos an. Die Oma grinst. Ohne mich würdest du gar nicht so gut leben, wie du es jetzt machst, oder? Die Katze entscheidet sich, die Oma nicht verstanden zu haben und schaut wieder aus dem Fenster. Der Waschbär in der Tuba denkt sich gerade, wie doof er aussehen muss. Die Oma zuckt mit den Schultern und krault die Katze hinter den Ohren. Nachher gibt es dein Lieblingsgericht, weißt du? Die Katze reagiert nicht und schaut weiter auf den Waschbär. Lecker Fisch! Keine Reaktion. Mit diesen kleinen Weizenkissen! Der Katze scheint dieses Angebot egal zu sein. Sie wisse eh, dass es immer ihr Lieblingsgericht gibt. Die Oma tut, es würde sie der Katze zustimmen. Sie nickt leicht, als würde sie etwas zur Kenntnis nehmen, erhebt sich langsam und schlüpft in ihre Puschen. Sie wickelt die Stricknadeln ein, legt das Garn zur Seite und schlurft Richtung Küche. Dort angekommen, öffnet sie den Kühlschrank, entnimmt Katzenmilch und Fisch aus dem oberen Regal und stellt beides auf den Tisch. Dann bückt sie sich langsam, hebt die Schale der Katze auf, stellt diese neben die Milch und öffnet letztere. Den Inhalt gießt sie in die Schale, nimmt daraufhin einen Löffel aus dem Schubfach und öffnet die Fischpackung. Den Fisch legt sie auch in die Schale. Dann merkt sie, wie etwas ihr Bein streicht. Die Katze ist da. Sie riecht wohl den Fisch. Die Oma blickt zufrieden auf die Katze. Diese sitzt nun vor ihr und schaut sie erwartend an. Dann nimmt die Oma die Schale von der Anrichte, stellt sie behutsam vor der Katze ab und schaut ihr gespannt zu. Der Katze scheint es zu schmecken. Die Oma schlurft zurück und setzt sich auf das Sofa. Dann legt sie sich langsam hin und schläft ein. Ihre Puschen fallen zu Boden.
Die Katze ist fertig mit essen, streckt sich und geht durch die Küchentür nach draußen. Sie springt über eine Blumenvase auf den Rasen und schlendert zum Waschbär in der Tuba. Dieser bemerkt die Katze und weiß nicht, wie er reagieren soll. Die Katze bleibt vor ihm stehen, schaut ihn an und dreht den Kopf hin und her. Der Waschbär beobachtet sie. Er weiß einfach nicht, was er machen soll.
Plötzlich ertönt ein Schrei. Jemand schreit. Jemand kommt angelaufen. Die Katze ist verschreckt. Da ist meine Tuba! Die Katze versteht, dieser Jemand ist ein Musiker. Der vergaß wohl seine Tuba. Tatsache. Der Musiker kommt an, sieht die Tuba und freut sich. Der Waschbär ist noch verwirrter. Eine Katze und ein Musiker, wie soll das nur weitergehen. Der Musiker bückt sich runter, fasst die Tuba am Griff und hebt sie hoch. Dem Waschbären wird schlecht. Na, wie kommst du denn darein, fragt der Musiker den Waschbären. Bin gefallen, antwortet der Waschbär. Achso. Der Musiker überlegt, bläßt in das Mundstück und der Waschbär wird herausgeschleudert. Er prallt auf dem Boden auf und reibt sich sein Hinterteil. Die Katze feiert. Danke, sagt der Musiker und versinkt im Boden. Der Waschbär geht weg. Die Katze auch.
Dann wacht der Opa auf, schlüpft in seine Puschen und streichelt seinen Hund, der auch in seinem Korb geschlafen hat. Ich macht dir jetzt erstmal eine Mahlzeit!