Mittwoch, 22. Juni 2011

Trübsal.

Die Bank knarzt. Leise schwebt Staub vom Boden auf und kräuselt sich auf diesem wieder zu einem unklaren Gebilde zusammen. Vermischt sich mit kleinen Körnern, Schmutzpartikeln und groben Steinen. Hie und da sind weggeworfene Dinge zu erkennen, seicht sich durch den Nebel manifestierende aber doch unscheinbar entstehende Formen tun sich auf. Unklar, jene zu definieren, aber soweit man dies beurteilen kann, haben sich schon einige in diesen Gegenden aufgehalten. Abnutzung ist vernehmbar. Sie steht in der Luft wie ein Teppich aus Abgasen, legt sich auf alles, das man als festes Objekt bezeichnen kann. Ein Grund, genauer in diese bizarre Welt einzutauchen. Gut zu erkennen ist, wie deutlich sich die einzelnen Formen voneinander unterscheiden.
Allen gemein ist dieser Grauton, diese triste Farbe aus Melancholie und einer leicht depressiven Farce. Prädestiniert, um graue Novembertage zu untermalen. Unangenehme Kälte, ein Eiland von einem kahlen Baum verlassen auf dem weiten Feld der Trostlosigkeit. Über ihm thront eine vehemente Erscheinung in Form schwerer undurchdringlicher Wolken. Sie tränken die Luft unter sich in winzige Tränen, die sich an allem niederlassen, was noch versucht ein Fünkchen Helligkeit dieser toten Welt zu schenken.
Ein Mann mit einem langen Mantel und einem tief ins Gesicht gezogenen Hut durchdringt diese feuchten Schichten. Langsamen Schrittes nähert er sich dem Baum, sein kahler Stock setzt mit einem dumpfen Geräusch auf dem Boden auf. Langsam bleibt er stehen. Nässe sammelt sich zwischen den winzigen Fasern des Mantels. Seine feuchte Nase schaut langsam gen Baumkrone auf. Der Baum blickt mit einem versteinerten und ausdruckslosen Gesicht zurück. Kein bisschen Leben ist in seinem Geäst erkennbar. Er verweilt einfach da, kraftlos und ohne Zuversicht. Die knochige Hand hebt den Stock langsam hoch, bis er in einer horizontalen Position anhält. Wasser gleitet den Stock entlang, verfängt sich in den Rillen des Holzes, lässt sich durch die kalte Luft Richtung Boden fallen, wo es sich in kleinen Pfützen zusammenfängt und sich einen Weg durch die Natur bahnt. Die Schuhe sinken allmählich in den weichen Boden ein.
Der Mann nähert sich zögernd dem Baum. Alt muss er sein, wie er da so einsam steht. Nicht mal ein Tier wagt sich in die Nähe der dünnen Äste. Ganz langsam gleitet die Stockspitze durch die feuchte Luft auf den Baum zu. Wenige Augenblicke trennen noch die beiden Rohstoffe voneinander. Ob der Baum wohl erkennen würde, dass er seinen Verwandten so nah vor sich hat? Wie er sich doch verändert hat über die Jahre. Ein Wiedererkennen ausgeschlossen. Den beiden ist außer dem natürlichen Ursprung nichts mehr gemein.
Mit einer geräuschlosen Berührung trifft der Stock auf die Rinde des Baumes. Auch dieses hat sich der Baum nicht vorstellen können. Leicht und mit einer kraftlosen Armbewegung dreht der Mann den Stock vorsichtig von links nach rechts. Kleine Splitter und Teile der Rinde fallen zu Boden. Sofort gleitet Nieselwasser in die neu entstandene Einhöhlung. Der Mann nimmt den Stock langsam wieder zurück und lässt ihn gedankenlos zur Erde sinken. Er schaut zum Baum auf. Sein Gesicht fühlt sich kalt und leer an. Die tiefen Furchen durchziehen sein Gesicht wie kleine Bäche. Der Baum verfällt in Schweigen. Nichts regt sich. Kälte schwebt durch die fortwährend nasse Luft und dringt durch den Mantel an den Körper des Mannes. Der Baum fokussiert seinen farblosen Stamm. Das kleine Loch ist nicht zu sehen. So alt und schon so tot. Es ist eine Ewigkeit her.

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